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NetzwerkForum SchifffahrtHafenLogistik.NRW - Konzepte einer zukunftsfesten maritimen Logistik für einen attraktiven Wirtschaftsstandort

Dr. Christoph Kösters, Manager des Kompetenznetzes und Hauptgeschäftsführer des Ver­bandes Verkehrswirtschaft und Logistik Nordrhein-Westfalen (VVWL) e. V. begrüßte am 31. August 2023 mehr als 70 Entscheider aus Schifffahrt, Häfen, Logistik und der Industrie zum diesjährigen NetzwerkForum. Die Veranstaltung des Kompetenznetzes Logistik.NRW, ge­tragen vom LOG-IT Club e.V. und dem VVWL, befasste sich als Leitgedanken mit den Konzep­ten einer zukunftsfesten maritimen Logistik. Dr. Christoph Kösters betonte, dass die Zeiten des Logistikweltmeisters Deutschland aus dem Jahr 2018 längst vorbei seien. Mittlerweise prägen Unsicherheiten und marode Infrastrukturen die Lieferketten. Weite Teile der Politik scheinen ihr Handeln an diesen Status Quo aber noch immer nicht angepasst zu haben. Maßnahmen wie die völlige Nichtberücksichtigung der Binnenschifffahrt im Genehmigungsbeschleuni­gungsgesetz gehen genau in die falsche Richtung und senden ein verheerendes Signal an die Kunden des Systems Wasserstraße. Der VVWL und seine Bundesverbände haben frühzeitig alternative Schritte definiert und angemahnt, dass wichtige Infrastrukturmaßnahmen der Wasserstraßen, wie die Abladeoptimierungen im Mittel- sowie Niederrhein oder Ausbau des WDK, notfalls per Gesetz beschleunigt werden müssen. Zudem sei eine verlässliche, überjährige und aus­kömmliche Finanzierung der Wasserstraßen/Verwaltung herzustellen und Hafenflächen im Bestand und Ausbau zu stärken. Es bedarf insgesamt einer niedrigwasserresilienten Inf­rastruktur des Rheins durch smarte Wasserbaumaßnahmen als Grundvoraussetzung für die Zuverlässigkeit des Systems. Es sei enttäuschend, wie diese Regierung unter dem Deck­mantel des Klimaschutzes die Logistik als fiskalische Melkkuh zur Sanierung des Haushaltes benutze, anstatt ihrer Aufgabe zur Schaffung bzw. Gewährleistung einer leistungsfähigen Infrastruktur gerecht zu werden. Das Ganze werde in Zeiten der nächsten großen Herausfor­derungen für Industrie und Logistik, der klima- und energiepolitischen Transformation, zu einem Lackmustest für den Industrie- und Logistikstandort Deutschlands. Es sei deshalb umso wich­tiger, in dem diesjährigen Forum 2023 zu diskutieren, welche Grundlagen benötigt werden, um Logistikketten in diesem schwierigen Umfeld resilient und zukunftsfest als wichtigen Standort­faktor aufzustellen.

Als langjähriger Kooperationspartner des Forums und Mitglied des Kompetenznetzes Logis­tik.NRW erinnerte Frank Wittig, Vize-Präsident der Niederrheinischen Industrie- und Handels­kammer Duisburg-Wesel-Kleve zu Duisburg in seiner Begrüßung an das Jahr 2009, dem
Geburtsjahr der Düsseldorfer Liste (damals „Duisburger Erklärung“ genannt), welche durch das Branchen­Forum SchifffahrtHafenLogistik erstellt wurde. Bereits zu dieser Zeit mussten die Branchenverbände, IHKen und sonstige Institutionen Druck für die Interessen des Systems Wasserstraße bei der Politik, insbesondere in Berlin, ausüben. In der Düsseldorfer Liste seien wichtige Projekte aus NRW, aber auch aus anderen Bundes­ländern wie Baden-Württemberg, Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz für die Häfen und Schifffahrt enthalten. Eine große Bestärkung sei, dass diese Liste weiterhin Bestand habe und für die Politik handlungsleitend sei. Erst vor wenigen Wochen ist diese auf der Konferenz der Rheinanlieger aktualisiert und fortgeschrieben worden.

Zu den beiden Impulsvorträgen begrüßte Dr. Kösters als Vertreter der Industrie Herrn Uwe Arndt, Logistikleiter der Covestro Deutschland AG, zum Thema „Standortfaktoren der Industrie für NRW und Erwartungen an die maritime Logistik“ sowie als Vertreter der Logistik Herrn Jürgen Albersmann, Geschäftsführer Holding Contargo GmbH & Co. KG, zum Thema „Angebote und Forderungen der maritimen Logistik für eine erfolgreiche Zukunft“.

Uwe Arndt machte in seinem Impulsvortrag deutlich, dass der Rhein und das Kanalnetz für sein Unternehmen eine wichtige Voraussetzung zur Erreichung der Klimaneutralität sei. Neben einer starken Infrastruktur müsse auch der Regelungsrahmen für die Dekarbonisierung pas­sen, da sich Überregulierung und Energiekrise direkt auf die Wirtschaft auswirken. Um die Mobilitätsbedürfnisse der Werke zu befriedigen, würden alle Verkehrsträger benötigt, wobei die Covestro mittlerweile 60 % der Transporte über das Binnenschiff abwickelt. Aus Sicher­heits- und Umweltgründen würden bei der Auswahl der Verkehrsträger Bahn und Binnenschiff bevorzugt. Von politischer Seite aus passiere jedoch noch nicht genug, um den Rhein als
Le­bensader für den Handel zu sichern. Binnenhäfen müssten stärker ausgebaut werden, damit nicht mehr Seeschiffe überwiegend über LKW bedient werden. Als Handlungserfor­dernisse sah er insbesondere bauliche Maßnahmen im Rhein, Schaffung zusätzlicher Um­schlagpunkte und Containerflächen; die Kapazitätsvorhaltung sei ein Schlüssel, um den kom­binierten Verkehr (KV) optimal zu nutzen. „Binnenschifffahrt kann einen signifikanten Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten. Lassen Sie uns gemeinsam die Herausforderungen an­gehen“, appellierte er an das Auditorium.

Jürgen Albersmann beleuchtete als Logistikdienstleister die Angebote und Forderungen der maritimen Logistik für eine erfolgreiche Zukunft. Gerade durch den KV sei eine Verkehrsverla­gerung möglich. So wurden in den vergangenen 20 Jahren durch Investitionen von 800 Mio. Euro in KV-Infrastruktur bereits ca. 2 Mio. t CO2-Equivalent eingespart. Als Herausforderung betrachtete er die gleitende Langfrist-Verkehrs­prognose des BMDV, welche zwar einen Zuwachs von 46 % im Güterverkehr vorhersieht, al­lerdings fände Wachstum demnach überproportional beim LKW statt. Hier gelte es, dem KV als Vorreiter im Bereich der nachhaltigen Verkehrstransformation zu positionieren und über emissionsarme Terminals und E-Mobilität auf der letzten Meile weitere Klimaeffizienz zu gene­rieren. Hierzu setze Contargo bereits heute auf 100 %-igen Ökostrom an allen Terminals sowie eine Flotte von mittlerweile 80 batterieelektrisch angetriebenen LKW. Herausforderungen beim Ausbau der Ladestationen sei insbesondere die Diskussion mit den Kommunen, welche zu Realisierungszeiten von bis zu 12 Monaten führten. Auch beim Binnenschiff setze Contargo auf klimafreundliche Innovationen. Als Angebot für die Industrie nannte Albersmann z. B. neue Apps, die die Prozesse so transparent machen, dass alle Stakeholder optimal eingebunden seien. Als problematisch schilderte Albersmann, dass der Standort Deutschland zunehmend auch durch marode Infrastruktur und Fachkräftemangel an Attraktivität verlöre. Hohe Energie­kosten, mangelnde digitale Infrastruktur und ein Übermaß an Vorschriften und Einschränkun­gen würden private Investoren abschrecken. Hier sei ein großer Reformbedarf, um mehr Pla­nungssicherheit zu schaffen. Klare Worte fand er zu den erforderlichen Maßnahmen für einen wettbewerbsfähigen Transportsektor, z. B. in der schnelleren Sanierung der Infrastruktur (Schienen, Brücken und Wasserstraßen müssten in enger Abstimmung ertüchtigt werden), dem Stoppen der Regulierungsflut und der Reduktion der Belastungen für Unternehmen, der Be­schleunigung der Genehmigungsverfahren und dem aktiven Gegensteuern des Fachkräfte­mangels über verstärkte Ausbildung, attraktive Berufsfelder und Imagepflege. Über die schnelle Umsetzung der Masterpläne Schiene, Häfen und Binnenschifffahrt könne Deutschland wieder zurück zur alten Stärke finden.

Die Diskussionsrunde des diesjährigen Forums stand unter dem Motto „Konzepte einer zukunftsfesten maritimen Logistik“. Hier diskutierten die beiden Referenten der Eingangs­statements zusammen mit Jan Sönke Eckel, Geschäftsführer RheinCargo GmbH & Co. KG, Thorsten Peters, stv. Seefrachtleiter EMO-Trans GmbH und Marcus Voelker, Referatsleiter VII D6, Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Verkehr des Landes NRW.

Die Diskutanten wa­ren sich einig, dass Deutschland als Industrie- und Logistikstandort in den letzten Jahren ins Mittelmaß abgerutscht sei. Als Gründe wurden insbesondere die Unsicherheiten in den Lieferketten, die marode Infrastruktur, der fehlende oder schleppende Ausbau der Verkehrswege, Über­regulierung und eine wenig verlässliche Politik in Transformationsfragen genannt. Jürgen Albersmann konkretisierte beispielsweise im Vergleich zu den Niederlanden, dass dort die Infrastruk­tur von Straße und Bahn (Stichwort: Betuwelinie) erheblich besser geworden sei und NRW/Deutschland faktisch überholt habe. Die Güter auf der Betuwelinie würden in Emmerich stranden. Eine schnellere Planung sei dringend erforderlich und die Regulierungswut in Deutschland hemme immer mehr das operative Geschäft und Investitionsbereitschaft der Unternehmen. Zudem könnten nach Ausführungen von Uwe Arndt hohe Energiekosten wegen bestehender Fixkosten zu einer dauerhaften Belastung und einer Abwanderung der Industrie aus Deutschland führen. Marcus Voelker bekräftigte, dass die Behörden und Politik sich für schnellere Genehmigungsverfahren und behördliche Entscheidungen einsetzen würden. Gerade aber Förderprogramme müssten von den Ministerien gut vorbereitet sein und die Abstimmung mit der Wirtschaft sei teilweise auch nicht einfach zu erreichen und unvoll­ständige Unterlagen würden regelmäßig bei Ausschreibungen zu Verzögerungen führen. Demgegenüber betonte Jan Sönke Eckel die unangemessen langen Genehmi­gungsverfahren für KV-Terminals. Gerade in diesem Bereich müsse die Politik für straffe und praxisnahe Genehmigungsverfahren sorgen, um das Ziel einer Verlagerung auf grüne Ver­kehrsträger politisch zu priorisieren.

Die Teilnehmer bestätigten das derzeit moderate bis schlechte Niveau auf den Logistik- und Güterverkehrsmärkten, welches mit Rückgängen der Nachfrage für Industrie und Handel einherge­he. Allerdings machte Thorsten Peters für den Seefrachtbereich exemplarisch für die gesamte Branche auch deutlich, dass die Coronajahre eine besondere Situation waren und die Arbeitsbelastung im operativen Bereich extrem erhöht hätten; diese Belastung habe im ersten Halbjahr aufgrund eines spürbaren Volu­menrückgangs abgenommen. Durch diese Normalisierung des Tagesgeschäfts hätten Pro­jekte finalisiert werden können, die in den letzten Jahren zurückgestellt werden mussten. Uwe Arndt erklärte, dass durch die zurückgehende Konjunktur der Verbraucherbereich durch eine starke Kaufzurückhaltung geprägt sei und neue Bauvorhaben deutlich zu­rückgestellt würden. Jan Sönke Eckel bescheinigte, dass zudem die Schiene mit vielen Baumaßnahmen zu kämpfen habe. Es sei zwar gegenwärtig eine leichte Entspannung zu spüren. Der Druck auf die Schiene könnte allerdings in den nächsten Jahren bei wachsenden Mengen wieder steigen und wiederum zu einer Überlastung dieses Verkehrsträgers füh­ren.

Die Diskutanten sprachen den hohen Fachkräftemangel als weiteres Hemmnis für die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland an. Marcus Voelker erwähnte das Imageproblem der Logistik. So werde der laute Dieselmotor und der Flächenverbrauch öffentlich oftmals stärker wahrgenommen als die wirt­schaftlichen Leistungen der Logistik als Grundlage für die Wertschöpfungskette. Thorsten Peters bestätigt den mittlerweile sehr hohen Aufwand und die vielen Gespräche seines Unterneh­mens zur Akquise von Personal. Eine reine Beschränkung auf vollständig in der Logistik aus­gebildete Bewerbende sei heutzutage nicht mehr ausreichend. Dabei sei aber auch zu be­obachten, dass gerade Branchenfremde nach einer Einarbeitungsphase regelrecht begeistert für die Leistungen der Logistik seien. Oftmals seien die vorher gebildeten Vorstellungen auf das Fah­ren von LKW beschränkt. Das sei eine Chance der Logistik, die sich in der Öffentlichkeit posi­tiver und selbstbewusster aufstellen müsse.

Abschließend betonte Jürgen Albersmann nochmals, dass eine Deregulierung und Beschleuni­gung der Vorhaben elementar wichtig seien, um den Industrie- und Logistikstandort in NRW/Deutschland zu stärken. Zur Beschleunigung bräuchten wir auch eine andere Fehlerkul­tur bei Behörden und der Öffentlichen Hand. Zwischen Rechnungshof und Antragsteller wür­den Verwaltungsangestellte zu schnell in eine Verteidigungssituation genötigt, die nicht schnell sein könne. Toleranz gegenüber kleineren Verfahrensfehlern könnten hier Abhilfe schaffen. Teilweise würden manche Fördertöpfe auch deswegen nicht mehr abgerufen, weil die Fördersummen in keinem Verhältnis zur Komplexität des Antragverfahrens stünden. Jan Sönke Eckel richtete sich an die Behörden, mutig Verantwortung zu übernehmen, denn nur so könnten Prozesse beschleunigt werden. Zudem müsse der Bevölkerung offen gesagt werden, dass durch zahlreiche Dekarbonisierungsbemühungen auch drastische Einbußen verbunden seien. Uwe Arndt unterstützte, dass auch in der Bevölkerung ein Umdenken stattfinden müsse. Als Beispiel nannte er die Widerstände gegen LNG-Terminals und Wind­parks, die aber für eine ausreichende Energieversorgung essentiell wichtig seien.