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NetzwerkForum HandelsLogistik.NRW - Neue Trends in der Handelslogistik

Das Kompetenznetz Logistik.NRW, der Handelsverband NRW e. V. und der Verband Verkehrswirtschaft und Logistik NRW e. V. (VVWL) hatten zum 15. Mal zum NetzwerkForum HandelsLogistik eingeladen. Die Veranstaltung mit Unterstützung des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen statt. Oberthema war: „Neue Trends in der Handelslogistik“.  Gastgeber des Forums war die IHK Mittleres Ruhrgebiet in Bochum.

In einer Begrüßungsrunde bestätigte Dr. Oliver Breiden, Referatsleiter Handel, Logistik und Dienstleistungen des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen, die aktuell schwierige Konjunktur im Handel. Als relevantes wirtschaftspolitisches Thema sah auch er den Bürokratieabbau. Das Thema sei bei seinem Ministerium präsent und im Rahmen der bestehenden föderalen Strukturen in Angriff zu nehmen. Leistungsfähige und funktionierende Verkehrsinfrastrukturen sind auch für den Handelsstandort „Mittleres Ruhrgebiet“ von hoher Bedeutung, so Dr. Michael Tamminga-Wessels vom Gastgeber IHK Mittleres Ruhrgebiet zu Bochum, und verwies auf das aktuelle Negativbeispiel Brückensperrung A 42 (Rhein-Herne-Kanalbrücke). Sie belaste aktuell den Handels- und Wirtschaftsstandort erheblich. Mit der noch in 2024 anstehenden temporären Sperrung der A40 drohe weiteres Ungemach.

Prof. Dr. Christoph Tripp, Distributions- und Handelslogistik, TH Nürnberg / Fakultät Betriebswirtschaft, stellte sechs Thesen zu den Trends in der Handelslogistik auf: These 1.:
Die Kundenerwartungen sind – trotz „Konsum-Triage“ und „Rational Choice“ – von maximaler Convenience geprägt und entwickeln sich zunehmend ambivalent. So werde zugleich Nachhaltigkeit und niedrige Kosten / Preise verlangt, im Ergebnis werde aber nicht annähernd für die Nachhaltigkeit kostengerecht gezahlt. Dies zeige sich z.B. bei der zunehmenden Nutzung chinesischer Handelsplattformen, wo der niedrige Preis mit kaum Nachhaltigkeit (komplette Lieferung per Luftfracht) bezahlt werde, aber absolut entscheidend sei und vor die Nachhaltigkeit trete. Zudem seien die Convenience-Erwartungen der Vielzahl von Kunden inzwischen „unendlich hoch“.

Als zweite These formulierte Pro. Dr. Christoph Tripp, dass Adaptivität, Agilität, Resilienz und Verfügbarkeit zukünftig die maßgeblichen Serviceanforderungen der handelslogistischen Kunden sind.  Die Erbringung von Lieferservices im Handel werde individueller, nachhaltiger, dezentraler und noch stärker datenbasiert (These 3). Zu den Grenzen des Lieferservices berichtete Prof. Tripp, dass z.B. inzwischen viele Anbieter wegen nachteiliger Erfahrungen wieder von der Angebotsoption „Same Day Delivery“ zurückgetreten sind. These 4.: Die Gefahr der „Commoditisierung“ und damit Entwertung von Services bleibt bestehen, wobei sich die hohen Convenience-Erwartungen rasant auf alle B2B-Geschäfte übertragen. Letztgenannte Übertragung sei für die Anbieter eine zusätzliche wirtschaftliche Gefahr. Hier stelle sich die Frage, mit welchen Instrumenten man der Entwertung von Services in der Handelslogistik – bei anhaltend hohem Kostendruck – bestmöglich begegnen kann. These 5: Handelslogistik-Systeme müssen das Gleichgewicht zwischen Effizienz und anspruchsvollen Kunden im Front- und Backend neu definieren. These 6.: Outsourcing und Fulfillment gewinnen weiter an Bedeutung, wobei eine ganzheitliche Kunden- und Datenhoheit Make-Strategien sinnvoll erscheinen lassen. Dabei, so Prof. Tripp, verändern sich die Outsourcing-Argumente, und zwar weg vom reinen Kostenargument hin zu den Themen Flexibilität und Professionalisierung.

Ralf Düster, Vorstand Setlog Holding AG und Vize-Präsident LOG-IT Club e.V., sieht die aktuelle Situation auf den Märkten als äußerst komplex. Eine angespannte geopolitische Lage, die schlechte Konjunktur und Disruptionen täten ein Übriges. Ralf Düster formulierte 10 für ihn wichtige Supply-Chain-Management-Trends: 1. Der Fachkräftemangel zwingt zum Handeln. Dazu gehören auch Robotics-Lösungen. 2. Nachhaltigkeitsgesetze und Kreislaufwirtschaft fordern bessere Prozesse. 3. Resilienz-Aufbau bei gleichzeitigem Kostendruck. 4. Die Transparenz nimmt an Bedeutung zu. 5. „Supply Chain as a Service“ wird wettbewerbsentscheidend. 6. ERP-Silos werden abgebaut. 7. Globale und regionale Ketten werden gemischt. 8. Cybersecurity wird zur Chefsache. 9. Automatisierungsprojekte schreiten voran. 10. Open Source Software überzeugt immer mehr.

Im anschließenden Panel „Handels- und Distributionslogistik 2024 Plus – Industrie, Handel, Forschung und Logistik im Austausch“ diskutierten mit den Teilnehmern und Teilnehmerinnen Prof. Dr. Christoph Tripp, Sebastian Borak, Leiter Logistik, babymarkt.de GmbH, Patrick Lamertz, Leitung Logistik und SCM, Fynch-Hatton Retail GmbH, und Klaudia Vollmer, Senior Project Manager Rhenus Assets & Services GmbH & Co. KG. Klaudia Vollmer und Sebastian Borak beschrieben als TOP-Trends der Handelslogistik Digitalisierung und Automatisierung, auch in Verbindung mit Künstlicher Intelligenz (KI). Patrick Lamertz mahnte TOP-Trend an, Flexibilisierungen zu erreichen durch mehr Transparenz in der Supply Chain – mit dem Ziel, schneller entscheiden zu können. In Bezug auf die aktuellen Umfeld-Entwicklungen / geopolitischen Rahmenbedingungen sah er noch kein Ende in Sicht.

Prof. Dr. Christoph Tripp beobachtet beim im Zeitraum 2022/23 beherrschenden Thema „Resilienz“ bei einigen Akteuren eher ein Zurück zu alten Mustern, so würden etwa Bestände wieder zurückgefahren. Zugleich sieht er in der Beschaffung den Trend zum „De-Risking“ und damit zur Verlagerung weg aus bestimmten Ländern. Klaudia Vollmer wiest darauf hin, dass jede „Krise“ anders sei und somit eine vorausschauende Planung durchaus schwierig und komplex. Um auch hier flexibel sein zu können, sei eine digital basierte Transparenz der Supply Chans sehr wichtig. Wie groß hier die Bereitschaften der Akteure sind, war durchaus umstritten. Der Handel tue sich bislang eher schwer mit Gemeinsamkeiten bei den Daten, so Rainer Gallus, Geschäftsführer des Handelsverbandes Nordrhein-Westfalen e.V. Als Mittelständler aus dem Modebereich stellte auch Patrick Lamertz hier Schwierigkeiten und Grenzen fest, vorstellbar sein dies eher über dritte Partner wie etwa Setlog. Für einen Modeproduzenten sei es unter Resilienz-Aspekten zudem u.a. angesichts der Kollektions-Häufigkeiten und -Vielfalt pro Jahr kaum möglich, z.B. mit Bestände-Anpassungen zu arbeiten. Hier bleibe nur der Ansatz, Prozesse zu verschlanken.

Einen Raum nahm auch das Thema Nachhaltigkeit und Transformation in der Handelslogistik ein. Prof. Dr. Christoph Tripp bewertete für einen echten „Wandel“ insbesondere im Transportbereich die Schaffung verlässlicher Rahmenbedingungen, insbesondere einer entsprechenden belastbaren Förderkulisse, als bedeutsam. Ansonsten habe die Transportlogistik kaum echte Handlungsoptionen. Er betonte zudem die relativ geringe Bedeutung von Konzepten wie innerstädtische Lastenradlösungen für die Nachhaltigkeit. Sebastian Borak hob die Verbindung von Nachhaltigkeit mit Wirtschaftlichkeit als gangbaren Weg für die Handelslogistik hervor.

In einem Start-Up Pitch wurden Innovationen in der Handelslogistik vorgestellt. Florian Ernst, Managing Director ECEON Robotics. Florian Ernst stellte mobile Roboter-Lösungen vor. Hiermit, so Florian Ernst, können insbesondere personalintensive Handling-Prozesse in Lägern um 200-300% produktiver gestaltet und dort so 80-90% Kosteneinsparungen erzielt werden. Die Firma Logistikbude GmbH hat eine Anwendungssoftware zur Digitalisierung des Mehrweg-Managements im Rahmen von Supply Chains entwickelt. Das Produkt stellte der CEO Dr. Philip Hüging, vor. Die Effizienzpotentiale durch die Digitalisierung des Mehrweg-Managements für das Mehrwegmanagement bemaß Dr. Philip Hüging auf bis zu 80 % weniger Personalaufwand durch Automatisierung der Prozesse von Erfassung bis zur Abstimmung, bis zu 40 % durch weniger Nachkauf von Mehrweg durch Reduzierung von Schwund und Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit und auf bis zu 20.000 t eingesparte CO2-Emmissionen (GWP) durch weniger Schwund, weniger Bedarf und weniger Transporte von Leergut.

 

Bildunterschrift: Die Akteure des NetzwerkForums HandelsLogistik.NRW des Kompetenznetzes Logistik.NRW am 27.02.2024 (v.l.n.r.):

  • Dr. Christoph Kösters, Manager Kompetenznetz Logistik.NRW / Hauptgeschäftsführer VVWL NRW e.V.
  • Klaudia Vollmer, Senior Project Manager Rhenus Assets & Services GmbH & Co. KG
  • Dr. Oliver Breiden, Leiter Referat Handel, Dienstleistungen, Logistik im Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen
  • Prof. Dr. Christoph Tripp, Distributions- und Handelslogistik, TH Nürnberg / Fakultät Betriebswirtschaft,
  • Ralf Düster, Vorstand Setlog Holding AG / Vize-Präsident LOG-IT Club e.V.,
  • Sebastian Borak, Leiter Logistik, babymarkt.de GmbH,
  • Peter Abelmann, Manager Kompetenznetz Logistik.NRW / Geschäftsführer LOG-IT Club e.V.
  • Patrick Lamertz, Leitung Logistik und SCM, Fynch-Hatton Retail GmbH,
  • Dr. Philipp Hüning, CEO Logistikbude GmbH,
  • Dr. Michael Tamminga-Wessels, IHK Mittleres Ruhrgebiet zu Bochum,
  • (nicht auf dem Foto): Florian Ernst, Managing Director ECEON Robotics.