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Netzwerkforum Handelslogistik.NRW 2025: Implementierung Künstlicher Intelligenz ist zentrales Thema für Handel und Handelslogistik

Frank Oelschläger begrüßte am 25. Februar über 100 Entscheiderinnen und Entscheider aus der Logistik zum 19. Handelslogistikforum des Kompetenznetzes Logistik.NRW; Gastgeberin des diesjährigen Forums war die Industrie- und Handelskammer zu Köln. Dabei betonte Frank Oelschläger, dass die Branche nach wie vor unter enormer Herausforderung durch die Vielzahl anhaltender Krisen stehe, weswegen das Forum in diesem Jahr einen Fokus auf Lösungen und Innovationen legen wolle.

Dr. Christoph Kösters, Hauptgeschäftsführer des Verbandes Verkehrswirtschaft und Logistik NRW und Manager des Kompetenznetzes moderierte die erste Gesprächsrunde. Dr. Kristel Degener berichtete als Leiterin Wirtschaft und Politik der IHK zu Köln über die Herausforderungen für die Handelslogistik in ihrer Region. Dabei sei insbesondere die regional starke verkehrliche Staulage ein größeres Hemmnis für Wachstum und Prozesse, aber auch bundesweite und europäische Themen wie überbordende Bürokratie, Fahrermangel und marode Infrastruktur belasteten die Branche. Insbesondere betonte sie, dass für die urbane Entwicklung der Stadt Köln zwar von der Politik der Personenverkehr intensiv betrachtet werde, die Güterlogistik jedoch außen vor bliebe. Neben Investitionsanreizen sei sichere und bezahlbare Energie ein vorrangiges Thema für Handel und Wirtschaft im IHK-Bezirk Köln. Dr. Oliver Breiden, Leiter des Referates Handel, Dienstleistung und Logistik des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen, richtete die herzlichen Grüße der Ministerin aus. Eine Studie zum Einkaufsverhalten in NRW sei im vergangenen Jahr in Auftrag gegeben worden, die Ergebnisse lägen in Kürze vor. Wichtige Aufgabe der Politik sei es, ein Umfeld zu schaffen, in welchem Handel und Wirtschaft konkurrenzfähig bleiben können. Frank Oelschläger, Vorsitzender des Lenkungskreises Kompetenznetz.NRW, Präsident des Log-IT Clubs und Geschäftsführer der GILOG GmbH teilte die Beobachtung, dass sehr viele Kaufentscheidungen seiner Auftraggeber in das kommende Jahr verschoben worden sind und äußerte die Hoffnung, dass auch das Ergebnis der Bundestagswahl hier in 2025 wieder eine Veränderung auslösen könnte. Ralf Düster, CO-Founder und Geschäftsführer SETLOG GmbH und Vize-Präsident Log-IT Club, mahnte an, dass derzeit noch viel zu wenig getan werde, um den Markt (Handel) wieder in Balance zu bringen. 400.000 Päckchen mit vorwiegend Ramsch würden weiterhin ungebremst täglich auf den europäischen Markt gelangen, ohne dass faire Bedingungen für alle Händler geschaffen wären. Gerade vor dem Hintergrund des sich weiter verschärfenden Fachkräftemangels bei zunehmendem internationalem Wettbewerbsdruck liege eine Hoffnung zur Effizienzsteigerung in der Nutzung von KI. Von der künftigen Bundesregierung erhoffte er sich verstärkte Arbeitsanreize, um Menschen aus der sozialen Hilfe heraus zu lösen. Die von der EU-Kommission unlängst angekündigten Maßnahmen sahen die Teilnehmenden an der Runde als insgesamt richtige Schritte. Ralf Düster geht dies nicht weit genug, er verwies zudem auf die dringend benötigte höhere Geschwindigkeit bei der Umsetzung. Rainer Gallus, Geschäftsführer des Handelsverbandes NRW merkte an, dass das Problem in der Politik erkannt worden sei, jetzt allerdings auch eine regulatorische Umsetzung erfolgen müsse, die in der Praxis gelebt werden kann. Verfügbarkeit von Laderaum und Infrastruktur werde das große Thema der nahen Zukunft bleiben. Aber auch neue Themen erschienen bereits am Horizont, wie beispielsweise die Nutzung von Innenstadtflächen für Wohnraum, was sich bald in neuen Auflagen im Rahmen der TA Lärm auf Handel und Handelslogistiker auswirken werde. Politik müsse verlässlicher werden, damit die Wirtschaft eine klare Orientierung für Entwicklungsentscheidungen habe.

Michael Gerling, Geschäftsführer EHI Retail Institute, bemängelte in seinem Impulsvortrag, dass EU- und nationale Zollregeln zur Eindämmung der Paketflut aus Fernost schon heute nicht mehr kontrolliert und umgesetzt werden könnten. Wie eine Umfrage des EHI aus dem Herbst 2024 bestätigte, sehen die Logistiker und Logistikerinnen die Themenfelder Nachhaltigkeit, KI, Automatisierung & Robotik sowie IT & Digitalisierung als größte Erfolgsfaktoren. Kontrollierte Zuwanderung sei aus demografischer Sicht eine Grundvoraussetzung für Wachstum. Ohne Zuwanderung würde die Zahl der Erwerbstätigen bis 2035 um 7 Millionen Menschen zurückgehen. Auch wenn sich die Kaufzurückhaltung seit 2023 nur leicht verbessert habe, würden viele Unternehmen im stationären Handel wieder expandieren. Neue Geschäftsmodelle, wie beispielsweise das Angebot von Werbeflächen in Geschäftsfilialen, würden zusätzliche Umsätze generieren. Online- und stationärer Handel seien mittlerweile stark miteinander verflochten. Die Textilbranche sei derzeit aufgrund erheblicher Nachfrageveränderungen mit einer ungünstigen Perspektive belegt. Über viele Handelsformen und -Bereiche sei auch ein starker Trend zu Aktionsangeboten mit den handelslogistischen Herausforderungen (Schwankungen, Ausschläge, Fristen) festzustellen. Auch die Sinnhaftigkeit von breiten Rabattaktionen wir „black Friday“ just vor der eigentlich umsatzstärksten Periode der Vorweihnachtszeit könne diskutiert werden. Das Thema Schnäppchenjagd beherrsche weiterhin den Konsumentenmarkt und wirke sich negativ auf die Ertragssituation des Handels aus. Als sehr große Herausforderungen gelte es weiterhin, die Resilienzen der Lieferketten zu stärken und dem Fachkräftemangel zu begegnen.

Holger Lüke, Geschäftsführer der dicobis GmbH, berichtete in einem Innovations-Pitch aus seiner Beratung zum Thema Supply-Chain-integriertes und automatisiertes Nachhaltigkeits-Reporting, dass Unternehmen aus den rund 30 zur Verfügung stehenden Datenquellen zur Bestimmung ihrer Nachhaltigkeit nur bis zu vier Quellen nutzen würden. Er riet dazu, die im eigenen Unternehmen anfallenden Daten, wie beispielsweise Zählerstände, automatisiert zu erheben und im ERP die herkömmlichen Prozesskosten um den Punkt Energie zu erweitern. Erfahrungsgemäß ließen sich ein Zehntel der Energiekosten einsparen.

Die anschließende Podiumsdiskussion behandelte die Perspektiven, die sich für die Handelslogistik durch KI und Transformation eröffneten. Unter der Moderation von Peter Abelmann, Manager des Kompetenznetzes Logistik.NRW und Geschäftsführer des Log-IT Clubs, diskutierten Michael Gerling, Dr. Tim Wirtz, Department Head Enterprise Information Systems Fraunhofer-Institut für intelligente Analysis- und Information Systeme IAIS und Björn Dröschel, Managing Director OC fulfillment GmbH (fulfillmenttools).

Michael Gerling betonte, dass die Implementierung Künstlicher Intelligenz aus Sicht der IT-Leiter des Handels der DACH-Region das wichtigste Thema für die kommenden Jahre darstellt. Im Idealfall sei KI bereits in neuer Software implementiert und deren Anwendung würde unauffällig wirken. So sei beispielsweise bei Marketplaces früher eine menschliche Überprüfung der von Anbietern hochgeladenen Fotos auf inadäquate Inhalte erforderlich; diese würden mittlerweile von künstlicher Intelligenz überprüft. Ebenso würden z.B. Ladendiebe bereits vor der Tat von KI aufgrund ihres Verhaltens und ihrer Körpersprache identifiziert werden können. Björn Dröschel verdeutlichte, dass sowohl Kunden- als auch Händlererwartungen kontinuierlich anstiegen. KI kann hier bei der Datenoptimierung helfen und die auf Datenlagen beruhende Entscheidungsfindung beschleunigen. Zwar werde KI Berufe ersetzen, beispielsweise werde ein Mensch an der Kasse in Zukunft nicht erforderlich sein. Menschen würden durch KI jedoch keinesfalls arbeitslos, weil sie für andere Aufgaben dringend benötigt würden. Im Gegenteil müsse KI in vielen Bereichen implementiert werden, um dem demografischen Wandel zu begegnen. Letztendlich müsse eine Kosten-Nutzung-Abwägung getroffen werden, KI können nicht als Selbstzweck bestehen. Dr. Tim Wirtz hob hervor, dass das Thema mittlerweile auch im Mittelstand deutlich angekommen sei. Der Handel habe gegenüber anderen Branchen einen signifikanten Vorteil, da die meisten Prozesse bereits in einem ERP-System abgebildet seien. Wichtig sei, dass KI nicht um der KI willen implementiert würde, sondern in den Bereichen, wo aufgrund einer guten Datenlage ein größtmöglicher Nutzen zu erwarten sei. Hier sei insbesondere in der Dokumentation gute Lösungen verfügbar und erwartbar. Von daher seien Disruptionen durch KI nicht ausschließlich im Niedriglohnbereich wahrscheinlich.

Peter Abelmann stellte abschließend seine mittlerweile in Foren des Kompetenznetzes traditionell gewordene Frage: Wo stehen wir in fünf Jahren? Aus Sicht von Björn Dröschel wird sich die Handelslogistik in fünf Jahren nicht grundlegend ändern, aber durch den Einsatz aller Tools effizienter geworden sein. Insgesamt werde die Handelslogistik in fünf Jahren viel optimistischer in die Zukunft blicken. „In fünf Jahren werden wir zurückblicken und uns für naiv halten, weil sich bezogen auf KI so viel entwickeln wird, was wir heute nicht erwarten können. Über die technologischen Sprünge werden wir überrascht sein“, so Dr. Tim Wirtz. Michael Gerling und das EHI Retail Institute schauen nicht in eine Kristallkugel, sondern betrachten diese Frage methodisch anhand von Schlüsselfaktoren und bauen daraus verschiedene Zukünfte. „Unternehmen müssen sich die Frage beantworten, ob sie auf die für sie relevanten Szenarien vorbereitet sind“, so der EHI Retail Institute-Geschäftsführer.