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Flottengrenzwerte für Lkw - Darum ist die deutsche Position richtig

Ein Kommentar der NRW-Logistik

"Wir sollten den Gütertransport vom Lkw auf Einhörner verlagern. Das ist nicht nur umweltschonender, das sieht auch schöner aus.“ – Trotz der Zuspitzung beschreibt diese fiktive Haltung die momentane Klimapolitik der EU und auch in Deutschland im Güterverkehrsbereich sehr gut: Die Lkw-Logistik soll grüner werden; das ist gut, richtig und wichtig und möchten wir auch – der von der Politik eingeschlagene Weg dorthin ist jedoch komplett unrealistisch.

Dieselkraftstoff setzt bei der Verbrennung rund 2,65 Kilogramm Kohlendioxid frei, dieser Wert lässt sich bei seiner Verwendung technisch nicht nennenswert beeinflussen. Die Gesamtemissionen sinken ausschließlich, wenn der Verbrauch sinkt. Da die Sprittsparpotenziale schon sehr weit ausgereizt sind, reicht es zur Erreichung der Klimaschutzziele nicht aus, ausschließlich auf Verbrauchsreduktion zu setzen. Bei der momentanen europäischen Debatte zur Festsetzung der Flottengrenzwerte wird jedoch stoisch ausschließlich auf batterieelektrische Fahrzeugantriebe oder auf Wasserstofftechnologie gesetzt, dies hat jedoch multiple Probleme.

Wirkungsgradproblem beim Wasserstoff
Bei der Diskussion um alternative Antriebe ist die Frage des Wirkungsgrades von herausragender Bedeutung, vereinfacht ausgedrückt lautet sie: Wie viel Bewegungsenergie erhalte ich für die eingesetzte Energie? Erreicht eine Brennstoffzelle zwar laut TüV-Nord einen Wirkungsgrad von stolzen 50 Prozent, fällt dieser bei Berücksichtigung des Energieaufwandes zur Herstellung von Wasserstoff auf ca. 30 Prozent und liegt damit deutlich unter der Effizienz von Dieselkraftstoff, die immerhin bei rund 45 Prozent liegt. Viel wichtiger ist jedoch die Frage der Verfügbarkeit, denn schon jetzt ist ersichtlich, dass die deutschen Stahlerzeuger nach der Umstellung auf klimaschonende Produktionstechnologien den gesamten am deutschen Markt verfügbaren Wasserstoff verbrauchen werden.

Strom kommt nicht einfach aus der Steckdose
Elektromotoren erreichen einen exzellenten Wirkungsgrad von über 65 Prozent. Vernachlässigen wir an dieser Stelle die Frage nach der Herkunft und der späteren Entsorgung des momentan in Batterien noch benötigten Lithiums, bleibt die bislang ungelöste Frage, wie denn der möglichst „grüne“ Strom in die Motoren kommen soll, um diesen Wirkungsgrad auch zu entfalten. 90 Prozent der Lkw sollen bis 2040 batterieelektrisch oder mit Wasserstoffantrieben unterwegs sein. Sollte es in den nächsten 16 Jahren entgegen aller Prognosen kein Verkehrswachstum geben, wären das 720.000 Lkw alleine in Deutschland, die es auszutauschen gilt. 720.000 Lkw, die unterwegs einen Megacharger als Ladestation benötigen, von denen es momentan noch keinen gibt. 720.000 Lkw, deren Heimatbasis oftmals nicht an das Mittelnetz des Stromkabels angeschlossen ist und folglich nicht aufgeladen werden können. (Nebenbei bemerkt: Unser Vorsitzender Horst Kottmeyer aus Bad Oeynhausen hat bei seinem Energielieferanten für seinen Fuhrpark angefragt, welche Voraussetzungen er braucht, um seinen Fuhrpark zu elektrifizieren: Wenn er ein eigenes Mini-Umspannwerk auf eigene Kosten von rund einer Million Euro errichtet, kann er maximal zwei Megacharger auf seinem Grundstück betreiben. Sein Fuhrpark umfasst 200 Fahrzeuge.) Und am Ende ist noch gar nicht klar, wo denn überhaupt der gesamte Strom herkommen soll, um 720.000 Lkw tagtäglich zu laden. Die benötigte Menge entspräche immerhin dem Output von rund dreißig Kernkraftwerken.

Teufelskreis
Werden keine Lademöglichkeiten geschaffen, kann die Logistik keine alternativen Antriebe einsetzen. Werden darum keine E- oder H-Lkw geordert, wird die Produktion nicht hochgefahren. Wird die Produktion nicht massiv beschleunigt (momentan ca. 1.000 alternativ angetriebene Lkw pro Jahr), kann das Klimaziel alleine aufgrund der gefertigten Stückzahlen und deswegen dann weiterhin hoher Anschaffungspreise unmöglich erreicht werden.

Technologieoffenheit, klare Richtung und Förderung benötigt
Die Logistik hat in der Vergangenheit immer wieder unter Beweis gestellt, dass sie in Umwelt- und Klimaschutz investieren will, sie braucht dazu jedoch schon jetzt die technischen Voraussetzungen. Unsere Branche will gerne die Klimaziele mittragen und umsetzen. Es reicht aber nicht, ein wünschenswertes Ziel festzuschreiben, welches nicht erreicht werden kann – da könnte man ja gleich den eingangs beschriebenen Transport per Einhorn verordnen. Soll das hochambitionierte Ziel einer annähernden Klimaneutralität im Lkw-Bereich in 14 Jahren erreicht werden, müssen alle verfügbaren technischen Optionen genutzt werden. Dazu zählen im Lkw-Sektor insbesondere auch alternative Kraftstoffe wie HVO100, Bio-LNG oder E-fuels, die bereits in der heutigen Fahrzeugflotte sofort sehr hohe, nachhaltige und positive CO2-Minderungen und somit Wirkungen auf das Klima entfalten könnten. Auch hier bedarf es eines Hochlaufs der Produktion der betreffenden Energieträger, allerdings keines flächendeckenden Austauschs der Lkw. Vor allem aber erscheint dieser Hochlauf realisierbar.

Wir begrüßen daher ausdrücklich die deutsche Haltung, die einen Kompromiss bei E-fuels ermöglicht hat. Was jetzt noch fehlt, sind ausreichende Fördermöglichkeiten. Ein E-Lkw kostet das Dreifache eines dieselbetriebenen Lkw. Die Frage, ob ein Umstieg auf alternative Antriebe überhaupt bezahlt werden kann, darf nicht den preissensitiven Auftraggebern der Logistik überlassen sein.